Am 19. Februar hatte ich von ein paar Läufen mit Bildern von früher berichtet. Bei dem Blick in alte Unterlagen fand ich auch Erlebnisberichte aus den 1980er-Jahren. Manchmal hatte ich mich nach nem WK hingesetzt und Gedanken über das Erlebte festgehalten!
Ein Bericht vom 10 km Lauf am 29.05.1986 ist für mich selbst recht überraschend ausgefallen, als ich damals recht fit gewesen sein musste, 😛 da ich Sonntag vorher am Melibokus 19,4 km rannte, Montag mit einer Wadenverhärtung 12 km lief, Dienstagvormittag einen Bahnlauf als Physiologie-Proband und am Nachmittag 14 km absolvierte und am Mittwoch erst ein laufstarkes Basketballspiel und anschließend in einem Running-Studio eine Untersuchung auf dem Laufband hatte! 😳
(Der folgende Bericht ist leicht gekürzt, die Namen sind nicht vollständig.)
die 22. Woche im Tagebuch 1986 (hoffentlich lesbar 😉 )
– – – – – – – – – –
Wir wollen heute an Fronleichnam noch (230 km) zu meinen Eltern fahren. Vorher steht der 10 km Lauf in Dornheim auf dem Programm. Andreas I. nehmen wir mit. – Nach der Meldung laufen wir uns warm. Dabei treffen wir Friedemann G. und Matthias M. mit Frau.
920 Uhr – Start:
Mitten im Pulk stehend, um nicht zu schnell anzulaufen, nehme ich an ca. 50. Stelle den Lauf auf. Das erste Stück, gut 100 m, ist nicht asphaltiert. Hier läuft Andreas noch in meiner Nähe. Kaum auf Asphalt mache ich Tempo. 600 m weiter schließe ich zu Matthias auf, der in der Verfolgergruppe rennt. Vorne hatte sich schon jetzt eine 4köpfige Spitzengruppe gelöst.
km 1 – 3:11 Min. ⇒ verflixt schnell! Trotzdem laufe ich jetzt zur Spitze der Verfolgergruppe auf und sorge mit für‘s Tempo. Doch bei km 2 – 6:31 Min. – trete ich etwas kürzer. Es setzt sich eine weitere Gruppe von 3 Läufern ab. Zu Matthias sage ich noch: „Lass sie laufen, gleich so’n hohes Tempo, das ist ja verrückt.“ Matthias bestätigt.
Wir laufen bald in ein bewaldetes Stück hinein. Mit einem anderen ‚Mitstreiter‘ versuche ich konstant zu laufen: km 3 – 10:02 Min., km 4 – 13:29 Min.
Ein Stück nach km 4 ist mit Kopfsteinpflaster versehen, nicht einfach zu laufen. Danach kann ich mich lösen. Ich merke, der Abstand zur 3er Gruppe verkürzt sich wieder. Bei km 5 – 16:55 Min. – erreiche ich den letzten der sich auflösenden 3er-Gruppe, kurz danach überhole ich den zweiten. Noch innerhalb des kms passiere ich dann den ersten dieser Gruppe. „Oj, oj!“ höre ich, „Vielleicht breche ich ja noch ein.“ gebe ich zurück. „Na, aber ganz sicher!“ kann ich noch hören.
km 6 ~ 20:30 Min. Kurz nach km 6 steht plötzlich ein Läufer an der Strecke. Er krümmt sich: Ermüdung oder Schmerzen? „Los komm“, versuche ich ihn zu ermuntern. Doch dann schießt es mir durch den Kopf: „Mensch, du bist jetzt 4.“ So laufe ich weiter mein recht hohes Tempo, weil ich auch so einige Läufer im ‚Nacken‘ spüre. Ich werde also regelrecht getrieben. Erstaunlicherweise merke ich noch keine übermäßige Ermüdung. Auch macht mir meine ‚verletzte‘ Wade bisher keinen Strich durch die Rechnung, obwohl es natürlich anstrengt. Aber es ist ein tolles Gefühl einen Lauf und sich selbst so gut im Griff zu haben.
2 km später werde ich aus den Gedanken geholt. Ein weiterer Läufer befindet sich vor mir, fast greifbar nahe. Mit etwas Biss habe ich ihn kurz nach km 8 eingeholt. Wir laufen ein Stück nebeneinander, bevor ich versuche mich zu trennen. Erst gelingt es mir, doch bei km 9 – 30:16 Min. – ist er wieder dran. Hier weiß ich, dass ich erstmals unter 34 Min. laufen werde. Toll!
Dann muss ich mich wieder konzentrieren. Jetzt kostet es Kraft. Obwohl ich grundsätzlich eher gegen die Uhr laufe, als gegen Mitläufer, ist mein Ehrgeiz geweckt. Vor allem, weil er mir so dicht auf den Fersen bleibt. All die anderen hatte ich relativ schnell ‚überlaufen‘.
Dann geht’s die letzten 200 m ins Stadion. Erst denke ich „Er hat dir den Vorrang gelassen“, doch dann zieht er plötzlich nochmals an. Ich muss noch einmal alles geben und ‚voll‘ sprinten, um ihn abzufangen, aber es gelingt mir.
33:39 Min. ⇒ ∅ 3:22 Min./km – Eine tolle Zeit! Ich bin happy und längst nicht so kaputt, wie mein Kontrahent, der sich fast übergeben musste. Meine Frau strahlt und beglückwünscht mich. Ich bin 3. geworden und aus den Worten des 4.: „Was, du bist meine Altersklasse. Scheiße, da hast du mir den 1. Platz weggeschnappt.“, kann ich ableiten, dass ich die M30 gewonnen habe.
Die Zeiten der anderen:
Matthias: 35:30 Min.
Friedemann: 36:55 Min.
Andreas: 40:25 Min.
Mir war klar: es geht schneller, da ich auf der 2. Hälfte trotz verletzter Wade schneller war. Zudem fiel im Nachhinein auf, dass ich die 3 km von 6 bis 9 schneller gelaufen war, als die ersten 3 km!
Es war der letzte von 5 WKs, die ich damals innerhalb von 5½ Wochen lief:
Nachtrag: Im September 1986 lief ich dann die 10 km in Bestzeit: 33:13 Min.!
⇒ Hast du solche längeren Aufzeichnungen in deinen eigenen Unterlagen?
Jetzt war ich schon überrascht, dass es im Nachbardorf einen Lauf gegeben hätte. Aber du warst in Hessen und nicht in der alten DDR.
Schöne Erinnerung
Grüße
Jörg
Lieber Jörg,
sorry, dass ich dich überrascht habe, aber 1986 tummelte ich mich eher hier in Hessen und Rheinland-Pfalz (Studium). ‚Euer‘ Dornheim, das ja sogar schon eine lange Geschichte hat, kannte ich noch gar nicht, obwohl ich quasi meine ersten Jahre am südlichen Rand des Thüringer Waldes 😉 verlebte. 😆
Danke dir! In meinen Aufzeichnungen lassen sich definitiv schöne Erinnerungen finden. 🙂
Liebe Grüße Manfred
Lang, lang ist es her !!
Ich bin immer wieder überrascht, wie akribisch du alles aufgeschrieben hattest und noch machst !! Warst ja auch in schneller Hirsch mit viel Power !! Und dann schnappst du den anderen noch den 1. Platz ab , tz, tz !! Super Zeit !!
Im übrigen Melibokus kommt mir so bekannt vor, wir waren dort früher auch, allerdings nicht zum Laufen !!
Oh ja, liebe Margitta,
das ist wirklich sehr lange her!
Vielen Dank dir! – Generell hab ich schon recht gut Buch geführt, allerdings habe ich von diesen Erlebnis-(Nach)Berichte nicht allzu viele! Vielleicht reiche ich hier noch den einen oder anderen nach! – Aber das ich da jemandem etwas weggeschnappt hatte, war mir nicht bewusst. Allerdings glaube ich nicht, dass ich Gewissensbisse bekommen hätte, wenn mir das bewusst gewesen wäre. Die Aussicht auf Platz 1 hätte mich vielleicht noch mehr angespornt! 😆
Der Melibokus ist ja nicht so weit weg, von deiner alten Heimat im Südwesten!
Liebe Grüße Manfred
Lieber Manfred
Das liest sich wie ein Trainingslogbuch im Turbomodus – kaum zu glauben, was du da alles in einer Woche untergebracht hast!
Beeindruckend, wie detailliert und lebendig du das Rennen schilderst – man läuft beim Lesen richtig mit. Dass du trotz angeschlagener Wade und so vielen Belastungen eine solche Zeit rausgelaufen hast, ist schlicht stark. Und dann noch dieser Zielsprint! Die Schlussbemerkung vom Altersklassenkonkurrenten ist das Tüpfelchen auf dem i: herrlich direkt und unfreiwillig anerkennend. Und deine Analyse der Splitzeiten zeigt, dass da richtig viel Potenzial drin war.
Ich habe leider keine solchen Aufzeichnungen, ausser das, was ich in meinem Blog festhalte. Umso schöner, dass du deine Erinnerungen teilst – eine echte Zeitreise.
Beste Grüsse aus dem dunklen Cape Town!
Liebe Catrina,
ich habe im Tagebuch nicht alles nachgelesen, aber ich nehme an, dass das eine selten volle Woche war. Das wurde mir erst bewusst, als ich vom Erlebnisbericht ausgehend diese Woche im Tagebuch nachlesen wollte. 3 von diesen Berichten liegen zwischen meinen Urkunden und ein paar alten Ergebnislisten!
Die Schilderung ist sicherlich so ausgefallen, weil ich wahrscheinlich selbst so angetan war, dass es so gut lief. Der Jungspund konnte eine (leichte?) Wadenverhärtung bestimmt besser wegstecken!
Aber erinnere mich nicht daran, was ich alles in dieser Woche verkraftet hatte, sonst werde ich nachdenklich über das >was-wäre-wenn<. Mit einer vernünftigen Vorbereitung (Tapering etc.) und einer besseren Renneinteilung mit einem Start von vorne wäre garantiert eine richtig tolle Zeit rausgesprungen! 😛 Aber es ist gut so, wie es ist! 🙂 Ich bin da voll im Reinen mit mir!
Apropos Splitzeiten: ich staune heute über mich selbst! Da ich noch keine Uhr mit Speicherfunktion hatte, musste ich mir die Zeiten alle merken, was mir eigentlich meist sehr gut gelungen ist!
Inzwischen sind deine Blogbeiträge ja gute (Erlebnis)Berichte. – Ich bin auch gespannt, was du über euer gestriges Event erzählst und erst recht was dann über den Comrades zu lesen sein wird! 🙂
Aus dem sonnigen Süden Hessens in den Süden Afrikas
liebe Grüße Manfred
Lieber Manfred,
was für ein Lauf, genial, man konnte richtig mit dir mitfiebern, äh, -laufen!
Aber bei deinem Trainingsplan musste ja sowas passieren, 😉 Arg schmunzeln musste ich bei „km 2 – 6:31“. das ist für mich auch eine oft gesehene Marke für EINEN km! 🙂
Und wie geht es dir heute, wenn du das liest? Wehmut, Freude über das Erreichte?
Meine Aufzeichnung sind alle im Blog, und in den 80’ern gab’s noch nichts aufzuzeichnen. Laufen? Etwa schnell oder lang? Was ist das…? 😆 Sport in der Schule war mein Horror. Wir mussten ins kalte Freibadwasser und die Lehrerin stand warm eingepackt am Beckenrand…
Liebe Grüße
Elke
Liebe Elke,
danke für den netten Kommentar! 🙂
Aber musste das passieren? 😆
Ja, ich war schon relativ zügig 😛 unterwegs, aber 2.000 m auf der Bahn gingen auch nicht übermäßig viel schneller. Von daher bin ich doch vernünftiger weiter gelaufen, oder? -Gestaunt hab ich selbst über die 9:46 Min. für km 6 – 9, da dies auf der 2. Hälfte !!! einen Split von fast 3:15 Min. pro km bedeutet! 🙈
Abgetippt hab ich es eigentlich recht mechanisch, ohne große innere Regung. War damals und ich hab ja mit der Zeit erlebt, dass es langsamer wurde. Nur, wenn du mich so fragst … nee, is alles gut, würde nur gerne überhaupt wieder ins Laufen kommen. Naja, mein Marschtempo geht ja in eine gute Richtung! 😆
Wie asozial, ähem, unsozial war denn eure Sportlehrerin. Als Erwachsener, sprich Sportstudent war es ja schon grenzwertig im April ins kalte Freibadwasser zu springen und nach jeder Bahn stehend und frierend neue Anweisungen zu bekommen, während der Olympionike (Prof.) draußen stand. Allerdings brauchte er nix Warmes, hatte genug Unterhautfettgewebe! 😛
Liebe Grüße Manfred