Spät war es, als ich endlich los konnte!

Mittwoch, am letzten Abitur-Prüfungstag, wollten Schüler aus dem Sport-LK mündliche Zusatzprüfungen machen. Meine Zelte am Dümmer hatte ich früher als eigentlich geplant abbrechen müssen!

Wenigstens war es am Dienstag abend flott voran gegangen und ich konnte heil ins Südhessische zurückkehren!

Der Donnerstag selbst war tagsüber ausgebucht, aber abends wollte ich unbedingt nochmal raus!

Etwas müde und vorsichtig trabte ich an, war ich doch in dieser Woche erst einmal richtig draußen gewesen. Es ging nach Osten, auf der Strecke, auf der man gleich zur Sache kommt. Schon nach 2 km hatte ich die ersten gut 100 hm zurück gelegt.

Kurze Zeit später zog es mich magisch an. Die ersten Trails übten nicht nur eine ungeheure Sogwirkung auf mich aus, sondern lockten wie Sirenen.

Erst entschwand ich in einen dunklen Abschnitt eines Finsterwaldes, der noch gerade Pfade und recht ebene Untergründe aufwies. Bald schon aber war ich noch tiefer eingetaucht und musste meinen Weg über Wurzeln, Bäume und andere querliegende Hindernisse bahnen.

Plötzlich lief ich an einer einfachen Waldbehausung vorbei, die einem Waldgeist zu gehören schien. Nicht nur dieser einfache Unterschlupf, sondern auch der nachfolgende Tempel übten eine anziehende Wirkung im faszinierenden Abendlicht auf mich aus.

Ein böser Zauberer schien dort zu wohnen, der mich in seinen Bann ziehen und nicht mehr loslassen wollte. Im letzten Moment entdeckte ich einen Trail und konnte nach links in eine etwas hellere Waldgegend abbiegen.

In Sicherheit war ich nicht. Auf einem breiteren Wegabschnitt lag da ein Wesen in Schlangenform vor mir. Zum Glück war es selbst nicht ganz Herr seiner Sinne und bewegte sich nur wenig, als ich vorsichtig an ihm vorbeilief.

Froh darüber, der ersten Unbill meines abendlichen Laufes entflohen zu sein, querte ich ein Feld. Aber schon kurz danach zog es mich wieder hinein in einen nächsten finsteren Trail. Vorsichtig laufend und doch froh hier abtauchen zu können, dröhnten doch schräg unter mir laute Maschinen*.

Auf dem folgenden Abschnitt musste ich mich behende drehend durch die zuwachsenden Pfade winden, hob mal hier meine Arme und verdrehte dort meine Schultern, um gut durchzukommen.

Ob es dem Prinzen so ergangen war, als er die Dornenhecke durchdringen wollte, um Dornröschen aus dem Schlafe zu erwecken?

Ich selbst musste feststellen, dass ich wohl kurz ziemlich schläfrig oder im Trance gelaufen war, denn meine wertvolle** Sehhilfe steckte nicht mehr am Riemen der Gürteltasche. Oder hatte sie mir ein Waldgeist entrissen? – Als wollte sie mich rügen, ob meiner märchenhaften Gedanken, schaute mich nach ein paar weiteren Kurven eine verwunschene Bank gar finster an.

Auch diesem Trail konnte ich nach einigen Windungen glücklich entfliehen. Ich querte eine Wiese, bevor ich des Kaisers Mühle links liegen ließ und bergan lief. Nun zogen mich magische Zeichen in ihren Bann.

Immer weiter aufwärts musste ich laufen. – War es Graf Dracula, oder war es Frankenstein, der da nach mir rief?
Ein böser Schlund tat sich auf

doch auch diesem Zugang konnte ich widerstehen, sollte meine abendliche Reise nicht schon hier zuende gehen. Nein, an diesem Abend erlag ich nicht der Versuchung den Weg zu ergründen, der mich vielleicht sogar zum Verließ des Schlosses geführt hätte?!

Immer tiefer drang ich ein in die Wälder des Herren Frankenstein. Immer größere Hindernisse versperrten mir den Weg, als wollte er mir durch sie sagen, dass ich heute nicht mehr nach Hause käme!

Doch auch hier fand ich als geübter Pfadfinder immer wieder einen Weg hinaus! Diesmal sah ich hinter den Wurzeln des nächsten Baumriesen die Sonne im Westen blinzeln

 

Wollte sie einfach den Weg mir nur zeigen? – Es eröffnete sich ein Pfad und das nächste Zeichen führte mich zurück auf den rechten Trail.

Waren nicht schon die Alemannen auf diesen Pfaden ihren Feinden entkommen?

Nach 21 km mit gut 400 hm erwachte ich aus einem märchenhaften Traumlauf und wusste, dass ich wieder in heimatlichen Gefilden unterwegs gewesen sein musste! 😛

 

* vom Waldrand heraufschallendes Motorengejaule von Motorrädern
** erstanden im 1€-Shop

😉

10 thoughts on “verzaubert”

  1. Lieber Manfred,

    mystisch und märchenhaft hört sich Deine Laufbeschreibung an und ja, teilweise ist es im dunklen Wald so, man befindet sich in einer anderen Zeit und sogar in einer anderen Welt, da sind dann auch Motorengeräusche nicht so schlimm.
    Vielen Dank fürs Mitnehmen und ich hoffe Du findest die Sehhilfe wieder ?

    Salut

    1. Lieber Christian,
      ja, ich fühlte mich wie in einer anderen Welt! Meine Brille ist ja „nur“ für unterwegs für mich wertvoll, nicht vom Einkaufspreis her und doch hab ich bestimmt 10 Min. nach ihr gesucht. Leider hatte ich dadurch zum Schluss weniger Zeit, wollte ich doch im Hellen nach Hause kommen. Ich wäre so gerne noch so viel länger …

      Salut

  2. Lieber Manfred,

    der dunkle Wald zeigte sich wohl deshalb sich gruselig und finster weil Du ihn so lange nicht mehr besucht hattest 😉

    Cool geschrieben und mit gar gräuslig wirkenden Bildern eindrucksvoll untermauert. Schön aber, dass Dir sämtliche Waldgeister schlußendlich doch wohlgesonnen waren und Dich haben wieder des Weges ziehen bzw. laufen lassen 🙂

    LG Volker

    1. Lieber Volker,
      tja, kaum ist man mal ein „bisschen“ kosmopolitisch unterwegs, schon erscheinen einem die heimatlichen Gefilde ganz fremd. Während des Laufs habe ich den Lauf trotzdem genießen können, weil ich in ihm aufgegangen war! 😉
      Trotz meines Alters war ich wohl für die Waldgeister zu schnell! 😆
      Freut mich, dass der Post gefällt! 🙂
      LG Manfred

  3. Lieber Manfred,

    so ein bisschen düster und gruselig klingt bzw. wirkt das auf den Bildern schon. Würde man nicht aus jeder Zeile ein Augenzwinkern herauslesen, könnte man sich gar fürchten. Aber du hast das Abenteuer gut überstanden. Und verglichen mit dem Abenteuer, mit einer Horde Siebtklässler am Dümmer unterwegs zu sein, war der mystische Lauf vermutlich Enspannung pur?!

    Liebe Grüße
    Anne

    1. Liebe Anne,

      da bin ich aber froh, dass du das Augenzwinkern herauslesen konntest … müsste ich mich doch sonst um meine Leser sorgen! 😉
      Aber die Bilder so ein bisschen zu manipulieren, war durchaus beabsichtigt! 😆

      Aber hallo! Der Lauf war super entspannend und nix gegen den Stress mit einer Horde 7er. Allerdings muss man die Begegnungen mit den Netteren für sich herausnehmen, dann verkraftet man die 5 – 6 undisziplinierten Rabauken besser!

      LG Manfred

  4. Lieber Manfred,
    einen be-zaubernden Lauf hast Du uns da geschildert! Kann es nicht sein, dass da noch ein Einhorn hinter den Bäumen stand…?
    Liebe Grüße
    Elke

    1. Liebe Elke,
      das kann gut sein, aber ich hab es leider nicht gesehen. Schade eigentlich! 😥
      Vielleicht war es auch in dem Waldstück unterwegs, in dem ich sehr intensiv meine Sehhilfe gesucht hatte.
      Schön ist aber, dass dir der Lauf, bzw. die Beschreibung von ihm gefallen hat!
      LG Manfred

  5. Lieber Manfred,
    das hört sich in der Tat an, wie ein Lauf aus einem Märchen, obwohl im Märchen hättest Du bestimmt etliche märchenhafte Gestalte auch noch getroffen… ? Schön, dass Du heil nach Hause gekommen bist und ich kann sie voll und ganz verstehen, diese magische Anziehungskraft der Trails ? Danke fürs mitnehmen!
    Liebe Grüße Anna

    1. Liebe Anna,
      oh, bitte gerne! – Ich würde euch gerne alle mal mitnehmen … nur müssten wir hintereinander laufen. Das wäre dann nicht so kommunikativ! 😆
      Irgendwie kam mir das plötzlich so und ich habe mich wirklich schon unterwegs wie im Märchen gefühlt. Somit ist der Beitrag schon draußen auf den Trails entstanden! – Da es außerhalb der Waldabschnitte noch gar nicht so dunkel war, wie suggeriert, habe ich wohl auch noch nicht so viele märchenhafte Gestalten angetroffen! 😛
      Danke dir, aber weder die Waldgeister, noch der Zauberer, oder das schlangenartige Wesen haben mich im Wald binden können. 😉 So kann ich bald wieder auf die Trails … träumen gehen. 😆
      LG Manfred

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