Fest der Vielfalt

„Wir dürfen nicht nachgeben“

Unter dieser Überschrift veröffentlichte die Printausgabe des DA-Echos einen Artikel über eine friedliche Demonstration. Tausende Bürger Darmstadts hatten sich am 22. August auf dem zentralen Luisenplatz im Herzen der Stadt getroffen. Schon zu Beginn der Aktion wurde die Teilnehmerzahl auf weit über 2000 geschätzt!

Um 16.00 Uhr gab es dann Infos, eine kurze Ansprache einer lokalen Politikerin und Aufrufe zur gewaltfreien Gestaltung des Demo-Zuges zur Orangerie!

Letzteres versteht sich von selbst! – So der Tenor in meiner unmittelbaren Umgebung!

Ich ging dann in der Nähe des Lasters auf dem die Leitung des Protestmarsches war.

Es lief fetzige Musik, die die Protest-Aktion lautstark untermalte. Dabei wurden natürlich auch viele Protestsongs gespielt. – Zum Glück bewegten wir uns in einem gemächlichen Tempo. Wir hatten wieder einmal glühend heiße 33 Grad!

Von Anfang an fiel mir auf, dass auch sehr viele junge Leute dabei waren. So traf ich auch ehemalige und aktuelle Schüler unserer Schule! Toll, dass sie alle den Aufrufen der vielen Einrichtungen, Initiativen, Vereine, Parteien und Organisationen gefolgt waren und sich per Protestsprüchen äußerten: 🙂

Aber auch ältere Menschen hatten sich beteiligt und ihr Unverständnis für diese unsägliche Partei geäußert. Im Darmstädter Echo wird eine 92jährige zitiert: „Ich verstehe nicht, warum so viele alte Leute diese Partei wählen, die haben doch das dritte Reich erlebt. So was wollen wir doch nicht nochmal haben.“

Wir alle wollen eine tolerante, weltoffene Stadtgesellschaft erhalten, die sich so, wie wir sie leben, nicht mit dem Ansinnen dieser Rechten vereinbaren ließe. – So ist auch die Stimmung bei unserem Marsch sehr entspannt und passt exakt zu unserer Offenheit gegenüber Anderem und Anderen:

Hass ist krass, Liebe ist krasser!

Unterwegs dann ein Stopp, eine Ansprache vom Lastwagen und … währenddessen 😛 … für mich ein tolles Gespräch mit einem ehemaligen Schüler … ich glaube mit portugiesischem Hintergrund. – Dann geht es auf der Klappacher Straße weiter bis zur Jahnstraße. Hier wird der Wagen gestoppt. Man will es nicht zu einer Konfrontation kommen lassen. Also wird noch eine Weile zu weiteren Protestaktionen aufgerufen und Musik gegen Rechts gespielt. Dann wird der Protestmarsch „beendet“ und wir trollen uns zum Südeingang des Orangeriegartens zum Fest der Vielfalt. Ich folge einer älteren Dame:

Im Garten bitte ich sie extra für mich und ein Foto mal ruhig stehen zu bleiben. Sie tut es lächelnd und gerne! 😉 Dann schaue ich mich um! Was ist hier los! Viele Buden und Stände sind am Südrand aufgebaut und unendlich viele Leute tummeln sich hier. Die Polizei kommt auf 3500 Teilnehmer, die Organisatoren sprechen sogar von knapp 5000!

Ich wende mich um zu einer Bühne und treffe den ehemaligen Kollegen mit seiner Frau, die mich über diesen Nachmittag informiert hatte. Wir lauschen einer sehr guten Rede unseres grünen Oberbürgermeisters Jochen Partsch. Er macht wieder einmal Punkte, die er woanders schon etwas verspielt hatte. 150 Nationen leben seiner Aussage nach hier in Darmstadt friedlich nebeneinander. Danach gibt es eine Breakdance-Einlage auf der Festbühne und andere tolle Aktionen.

Später durchquere ich den gesamten Park in Richtung Norden, um die unmittelbaren Proteste am Veranstaltungsgebäude zu erleben und habe den Eindruck, dass es keinen freien Platz auf den großen Rasenflächen der Anlage mehr gibt!

Als ich endlich vor dem alt-ehrwürdigen, barocken Gebäude ankomme, ist die Hölle los. Immer wieder skandieren die hier versammelten jungen Leute andere Parolen gegen Rechts. Durch die Scheiben des Veranstaltungssaals kann man sehen, dass der Lärm drinnen ankommt, ablenkt und sicherlich auch störend wirkt. – Okay, dass ist dann nicht mehr unbedingt tolerant.

Aber wollen wir so tolerant sein,
dass die Intoleranten das Heft in die Hand nehmen können?

Ewig bleibe ich nicht dort stehen, sondern schlendere am Westrand des Gartens zurück zu den Buden. An einem Wohnwagen kaufe ich mir Kaffee und Schokoladen-Kuchen und kann mir einen Spruch nicht verkneifen:


„Vernichten wir das Braune!“

„Wenn das mal keine Anspielung war“, kommentiert der Nächste in der Reihe hinter mir! 😆

Ein TU-Professor schwärmt davon, dass so viele Schüler und Studenten hier sind und die jungen Leute selbst finden die Mischung an Leuten toll. Sie fühlen sich bestärkt in ihrer Meinung gegen Rechts. Ihr Fazit: Eine so große Mehrheit gibt doch Hoffnung gegen Rechts!

Diesen Eindruck und diese Stimmung nehme ich mit, als ich nach 3½-stündiger Beteiligung das Fest verlasse: es lebt die Hoffnung! – Wo sonst, wenn nicht in unserem Bundesland, das einer Statistik zufolge die wenigsten kriminellen Aktionen gegen Ausländer kennt!