Sinnvolle Deutsche Marathon-Norm?

Deutsche Marathon-Norm zwischen Olympia-Qualifikation und Dopingversuchung?

Beim Frankfurt-Marathon habe ich die Diskussion um die verpasste Olympia-Qualifikation von Lisa Hahner aufmerksam verfolgt. Sie ist nicht die erste, die eine Norm über die längste olympische Laufstrecke knapp verpasste. Beim diesjährigen Berlin-Marathon lief Philipp Pflieger mit einer 2:12:50 Std. neue persönliche Bestzeit und verpasste die Norm um 35 Sekunden.

Da quält man sich über zwei Stunden lang und dann ist es nicht einmal eine Sekunde, die man pro Kilometer einfach nicht schneller laufen konnte.

Warum hat man eigentlich so häufig den Eindruck, dass unseren Sportfunktionären für die Einschätzung solch toller Leistungen junger Athleten das Gespür fehlt?
Haben sie vielleicht nie auf diesem hohen Niveau Sport getrieben, ist ihre sportliche Laufbahn zu lange her, oder hat sie ihr Funktionärsjob jeglicher deutschen Realität entrückt?

Statt unseren jungen Athleten internationale Erfahrung zuzubilligen und sie auch zu hochwertigen Großereignissen zu schicken, werden die deutschen Qualifikationsnormen gegenüber den Normen des IOC verschärft. So hat sich ein Marathonläufer nach IOC-Norm mit einer Zeit von bis zu 2:17 Stunden für die Olympischen Spiele qualifiziert. Der DLV verschärft diese Norm auf 2:12:15 Stunden mit fadenscheiniger Begründung. Deutsche Athleten, die zu den olympischen Spielen geschickt werden, sollen die Fähigkeit besitzen, auch in einem Endkampf der besten acht Sportler mithalten zu können.

Dazu ein kurzer Rückblick auf Leistungen deutscher Marathonläufer der 1970er und 1980er Jahre: Waldemar Cierpinski (DDR) lief 1976 als erster Deutscher unter 2:10 Std. (2:09:55 Std.) und war nicht weit weg vom Weltrekord: seit 1974 2:09:12 Std. Zwischen 1980 und 1988 liefen mit Jörg Peter (2:08:47 Std.), Michael Heilmann (2:09:03 Std.), Christoph Herle (2:09:23 Std.), Ralf Salzmann (2:10:01 Std.), Herbert Steffny (2:11:17 Std.), Wolfgang Krüger (2:11:54 Std.) und Hans-Joachim Truppel (2:11:56 Std.) gleich sieben deutsche Läufer in Ost und West Zeiten, die allesamt unter der aktuellen, deutschen Qualifikationsnorm für die Olympischen Spiele liegen.

Alle Achtung! – Da war was los auf deutschen Straßen!
Der Weltrekord allerdings entwickelte sich bis 1988 schon auf eine 2:06:50 Std.

… und wie sieht es heute aus? – Längst nicht mehr haben wir diese enorme Breite an Spitzen-Marathonläufern. Sollten wir heute nicht eher glücklich sein, wenn wir Läuferinnen und Läufer haben, die international einigermaßen mitlaufen können, ohne dass wir erwarten, dass sie in einem „Endkampf“ mithalten können?

Sind unsere Funktionäre wirklich der Meinung, dass sie vom Papier her beurteilen können, ob Arne Gabius mit seinen 2:08:33 Chancen auf einen Endkampf in einem olympischen Marathon hat? … und das nur durch den statistischen Vergleich von Zahlen und Zeiten? (Weltrekord: 2:02:57 Stunden)

Da frage ich mich eher:
Wie verhält es sich mit den hohen Qualifikationsnormen des DOSB für Olympische Spiele und der dadurch enorm erhöhten Versuchung zu dopen?

Deutsche Sportfunktionäre lebten da in den 1980er-Jahren noch in fern entrückten Welten, oder konnten sie sich folgende Einstellung einfach noch leisten?

Willi Weyer war deutscher Politiker (FDP) und Sportfunktionär und resümierte 1983 einmal:
„Medaillen und Rekorde sind nicht alles! Hier unterscheiden wir uns eben von anderen Auffassungen. Natürlich werden unsere Sportler auch weiterhin bei Olympischen Spielen … siegen, aber nicht um jeden Preis. … Siegen und verlieren zu können und gesund zu bleiben, das ist unsere Wegweisung für den Spitzensport. …“

Wenn auch das Verlieren, vor allem aber das Gesundbleiben zum Sport dazu gehört, warum lässt man dann junge Sportler nicht mitfahren zu den Olympischen Spielen? Warum setzt man dann in Deutschland die Olympianormen so extrem hoch an?

Laufend Manfred